Was passiert, wenn man diese Menge überschritten hat?
Thomas Arnet: In diesem Fall muss EKZ den Verbraucher beim Bund melden. Der Bund informiert dann wiederum die Behörden. Daraufhin würde die Strafverfolgung eingeleitet über den Kanton und entsprechend Bussen ausgestellt oder allenfalls die Abschaltungen angeordnet.
Was, wenn das alles zu wenig bringen würde?
Daniel Mettler: Der äusserste Fall wäre das Szenario der zyklischen Abschaltungen. Dieses gilt es, wie gesagt, unbedingt zu verhindern. Abschaltungen würden in vierstündigen Perioden erfolgen. Auch hier gäbe es wiederum Szenarien: das der 50-Prozent- und das der 30-Prozent-Abschaltungen. Im ersten Fall hätte man vier Stunden lang Strom gefolgt von vier Stunden Stromunterbruch und so weiter. Im Fall des 30-Prozent-Rhythmus hätte man jeweils vier Stunden keinen Strom gefolgt von acht Stunden Strom. Solche Abschaltungen würden gebietsweise über den Kanton verteilt werden.
Was wären die Konsequenzen von Abschaltungen für Industrie, Wirtschaft und Bevölkerung?
Daniel Mettler: Sie wären weitreichend und würden Bevölkerung wie Wirtschaft gleichermassen treffen. Es käme zu massiven Einschränkungen in den verschiedensten Bereichen. Beispielsweise dürfte es nicht mehr so einfach möglich sein, sich kurzfristig mit Lebensmitteln einzudecken, tanken zu gehen, oder anderen Tätigkeiten des täglichen Lebens nachzugehen. Darum muss eine solche Situation unter allen Umständen verhindert werden können. Abschaltungen sind die Ultima Ratio.
Wie kann ich mich als Privatperson auf einen Strommangel vorbereiten?
Daniel Mettler: Das Bundesamt für Wirtschaftliche Landesversorgung bietet auf seiner Website einen nützlichen Ratgeber. Es ist empfehlenswert, sich diesen anzuschauen.
Wie können sich Unternehmen auf einen Strommangel vorbereiten?
Thomas Arnet: Unternehmen empfehlen wir seit letztem Herbst, sich zu überlegen, wo man Einsparungen treffen könnte, damit sie auch mit weniger Energie den Betrieb aufrechterhalten können. Man sollte abklären, ob es Komfortbereiche gibt, auf die man notfalls verzichten könnte.
Daniel Mettler: Das kann zum Beispiel bedeuten, dass man eine Produktionsschicht weniger fahren oder eine Produktionsstrasse nicht in Betrieb nehmen würde. Ganz grosse Unternehmen wie zum Beispiel die Detailhändler könnten vorübergehend Filialen schliessen und im Öffentlichen Verkehr wäre es denkbar, dass man den Fahrplan ausdünnt und der Zug weniger häufig fährt.
Ist die Situation, die wir jetzt erleben, eine einmalige Geschichte?
Daniel Mettler: Ein potenzieller Strommangel beschäftigt uns schon mehrere Jahre. Ostral existiert bereits seit über 30 Jahren und die Vorgängerorganisation entstand kurz nach dem zweiten Weltkrieg. Es ist jetzt einfach so, dass aufgrund der zuvor genannten Faktoren eine Strommangellage wahrscheinlicher wird. Wir gehen davon aus, dass wir uns, solange solche grossen Abhängigkeiten vom Ausland bestehen und solange man auf den Import von Energie angewiesen ist, immer auf eine Strommangellage einstellen müssen. Das wird sich nicht von heute auf morgen ändern und auch nächstes und übernächstes Jahr ein Thema sein.
Problematisch ist, dass wir in der Schweiz niemanden haben, der die alleinige Verantwortung für die Stromversorgung trägt
Thomas Arnet: Das Problem ist auch, dass wir in der Schweiz bei keiner Instanz die alleinige Verantwortung für die Stromversorgung verordnen können. Der Bundesrat sieht die Branche in der Pflicht, die Branche wiederum den Bundesrat. Und deshalb regelt schlussendlich der Markt die Stromversorgung. Ist der Strom zu günstig, hat niemand Interesse, neue Kraftwerke zu bauen. Entsprechend wurden keine neuen Kraftwerke mehr gebaut. Früher war es so, dass der Staat dafür gesorgt hat, dass genügend Kraftwerke zur Verfügung standen, ungeachtet der Kosten. Wie man nun sieht, können sich Strompreise plötzlich verändern. Augrund der sehr hohen Kosten würde es sich heute lohnen, neue Kraftwerke zu bauen. Jedoch hat man ja keine Sicherheit, dass die Preise so hoch bleiben und man dann nicht in ein Rentabilitätsproblem läuft. Zudem muss man vom Entscheid, ein neues Kraftwerk zu bauen, bis zur Inbetriebnahme, mit mehreren Jahren rechnen. Von daher ist es eigentlich fast gegeben, dass das Thema Energie in den kommenden Jahren eine hohe Priorität haben wird in der gesellschaftlichen Wahrnehmung.
Wie könnte man kurzfristig reagieren?
Daniel Mettler: Der Bund hat ja nun beschlossen, dass man bereits in diesem Winter neue Gaskraftwerke ans Netz nehmen will, die im Notfall auch mit Öl betrieben werden können. Das dürfte etwas helfen. Jedoch wird es schwierig werden, mit solchen Kraftwerken den Wegfall eines Kernkraftwerks zu kompensieren. Ein grundlegendes Problem ist wohl, dass man in den vergangenen Jahren Kapazitäten und Reserven abgebaut hat, ohne sich genügend Gedanken zu machen, wie man diese ersetzen kann. Man hat sich auf den Import verlassen.