«Strom ist nicht das Problem, sondern die Lösung»

Nach dem Ja zum Mantelerlass ist klar: das Schweizer Stimmvolk möchte die erneuerbaren Energien stark ausbauen. Gemäss Urs Rengel, CEO von EKZ, lösen wir damit allein allerdings die drängendsten Probleme der Versorgungssicherheit noch nicht ganz. Wir haben mit ihm über alternative Lösungsansätze gesprochen, die im Moment noch kaum im Zentrum der Diskussion stehen.

Luc Descombes
28. August 2024
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Urs Rengel, CEO von EKZ, ist von Gaskraftwerken als effiziente und nachhaltige Brückentechnologie in die Energiezukunft überzeugt.

Über Urs Rengel

Urs Rengel ist promovierter Elektroingenieur (62), wurde in Zürich geboren und arbeitet seit 24 Jahren bei den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich. Seit 2004 ist er CEO von EKZ. Als Panzeroffizier entdeckte er im Militär zwar früh seine Liebe zu grossen Dieselmotoren, trotzdem fährt er seit über vierzehn Jahren nur noch elektrisch.

Urs Rengel ist promovierter Elektroingenieur (62), wurde in Zürich geboren und arbeitet seit 24 Jahren bei den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich. Seit 2004 ist er CEO von EKZ. Als Panzeroffizier entdeckte er im Militär zwar früh seine Liebe zu grossen Dieselmotoren, trotzdem fährt er seit über vierzehn Jahren nur noch elektrisch.

Wie beurteilen Sie die Annahme des Bundesgesetzes über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (Mantelerlass) im vergangenen Juni?

Grundsätzlich positiv. Sie zeigt, dass das Vertrauen ins Parlament seitens der Stimmbevölkerung vorhanden ist. Nur bietet der sogenannte Mantelerlass meines Erachtens allein noch keine abschliessenden Antworten auf die kommenden Herausforderungen rund um die Stromversorgungslücke, die uns im Winter jeweils droht. Für den raschen Zubau inländischer erneuerbarer Stromproduktionskapazitäten wird der Beschleunigungsbeschluss, der zurzeit politisch diskutiert wird, entscheidender sein. Auch haben wir mit dem neuen Stromgesetz noch nicht festgelegt, wer die Mehrkosten bezahlen wird, die daraus resultieren werden. 

Was meinen Sie damit?

Bei den alpinen Solaranlagen wird die wirtschaftliche Seite noch zu wenig betrachtet. Aktuell wird der Bund rund 60 Prozent der Baukosten übernehmen. Wenn dann aber der Strom, den wir damit produzieren werden, immer noch zu teuer ist, dann haben wir zwar begehrten Winterstrom aber noch keinen Abnehmer. Darum werden wir wohl nicht so rasch vorwärtskommen, wie wir es uns erhoffen. Bei der Windkraft muss der Kanton Zürich zuerst den Richtplan genehmigen. Hier liegen wir im Vergleich mit dem Kanton Thurgau weit zurück. 

Was würden Sie vorschlagen?

Ich sage jeweils: Strom ist nicht das Problem, sondern die Lösung. Deshalb würde ich Gas-Kombi-Kraftwerke nutzen, um zwischenzeitlich aus Erdgas und Biogas Strom und Wärme zu produzieren. Gaskraftwerke als Brückentechnologie in die Energiezukunft, von diesem Ansatz bin ich felsenfest überzeugt. 

Wir hätten einen mächtigen Hebel in der Hand, um die Versorgungssicherheit im Winter rasch zu verbessern

Wie beurteilen Sie die Annahme des Bundesgesetzes über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien (Mantelerlass) im vergangenen Juni?

Grundsätzlich positiv. Sie zeigt, dass das Vertrauen ins Parlament seitens der Stimmbevölkerung vorhanden ist. Nur bietet der sogenannte Mantelerlass meines Erachtens allein noch keine abschliessenden Antworten auf die kommenden Herausforderungen rund um die Stromversorgungslücke, die uns im Winter jeweils droht. Für den raschen Zubau inländischer erneuerbarer Stromproduktionskapazitäten wird der Beschleunigungsbeschluss, der zurzeit politisch diskutiert wird, entscheidender sein. Auch haben wir mit dem neuen Stromgesetz noch nicht festgelegt, wer die Mehrkosten bezahlen wird, die daraus resultieren werden. 

Was meinen Sie damit?

Bei den alpinen Solaranlagen wird die wirtschaftliche Seite noch zu wenig betrachtet. Aktuell wird der Bund rund 60 Prozent der Baukosten übernehmen. Wenn dann aber der Strom, den wir damit produzieren werden, immer noch zu teuer ist, dann haben wir zwar begehrten Winterstrom aber noch keinen Abnehmer. Darum werden wir wohl nicht so rasch vorwärtskommen, wie wir es uns erhoffen. Bei der Windkraft muss der Kanton Zürich zuerst den Richtplan genehmigen. Hier liegen wir im Vergleich mit dem Kanton Thurgau weit zurück. 

Was würden Sie vorschlagen?

Ich sage jeweils: Strom ist nicht das Problem, sondern die Lösung. Deshalb würde ich Gas-Kombi-Kraftwerke nutzen, um zwischenzeitlich aus Erdgas und Biogas Strom und Wärme zu produzieren. Gaskraftwerke als Brückentechnologie in die Energiezukunft, von diesem Ansatz bin ich felsenfest überzeugt. 

Wir hätten einen mächtigen Hebel in der Hand, um die Versorgungssicherheit im Winter rasch zu verbessern

Gas zu verbrennen, erzeugt doch enorme Treibhausgasemissionen. Genau das wollen wir ja verhindern?

Wir müssen den Schweizer Gasverbrauch eben optimieren und effizienter gestalten. Das Gas, von dem ich rede, verbrennen wir heute bereits. 15 Prozent unseres Endenergiebedarfs decken wird mit Erdgas. Wir verbrennen es halt einfach individuell in Gasherden und Gasheizungen in den Haushalten. Dass das sehr ineffizient ist, bemerken Sie sofort, wenn Sie einmal im Sommer in eine Küche stehen, in der mit Gas gekocht wird. Hier hätten wir einen mächtigen Hebel in der Hand, um die Versorgungssicherheit im Winter rasch zu verbessern und erst noch umweltfreundlicher mit der Energie umzugehen. 

Wie würden Sie das konkret angehen?

Wenn man sich heute in der Branche umhört, wird ziemlich schnell klar, dass wir im Winter sofort auf Gas-Kombi-Kraftwerke zurückgreifen müssen, sobald Strom und Wärme knapp werden. Wir nutzen in der Schweiz Erdgas, respektive Erdöl, zur Stromproduktion aber eben höchstens an den Wintertagen, an denen uns die Strommangellage akut bedroht. Ich glaube, wir sollten Erdgas nicht nur im Notfall zur Stromproduktion einsetzen, sondern permanent, zumindest während den Wintermonaten. Dass wir unser neues Notkraftwerk in Birr nur für einige Stunden im Winter einsetzen wollen, ist nicht ökonomisch. Wir sollten zusätzliche Gaskraftwerke bauen und unseren Gasverbrauch damit effizient gestalten.

Wieso sind wir mit mehr Gaskraftwerken effizienter?

Mit dem Strom, den wir im Gas-Kombi-Kraftwerk generieren, können wir Wärmepumpen und Induktionsherde betreiben oder elektrisch Autofahren. Die Abwärme können wir zusätzlich über Fernwärmenetze ebenfalls zum Heizen nutzen. Dieses Vorgehen würde es uns erlauben, das Vierfache an Nutzenergie aus dem gleichen Gas herauszuholen, das wir heute sowieso verbrennen. Die ursprüngliche Energiestrategie, über die wir 2017 abstimmten, sah den Bau neuer Gaskraftwerke als Brückentechnologie vor. Wieso tun wir das also nicht? Wenn wir unser Gas heute einfach individuell verkochen oder verheizen, scheint nämlich niemand ein Problem damit zu haben.

Gas zu verbrennen, erzeugt doch enorme Treibhausgasemissionen. Genau das wollen wir ja verhindern?

Wir müssen den Schweizer Gasverbrauch eben optimieren und effizienter gestalten. Das Gas, von dem ich rede, verbrennen wir heute bereits. 15 Prozent unseres Endenergiebedarfs decken wird mit Erdgas. Wir verbrennen es halt einfach individuell in Gasherden und Gasheizungen in den Haushalten. Dass das sehr ineffizient ist, bemerken Sie sofort, wenn Sie einmal im Sommer in eine Küche stehen, in der mit Gas gekocht wird. Hier hätten wir einen mächtigen Hebel in der Hand, um die Versorgungssicherheit im Winter rasch zu verbessern und erst noch umweltfreundlicher mit der Energie umzugehen. 

Wie würden Sie das konkret angehen?

Wenn man sich heute in der Branche umhört, wird ziemlich schnell klar, dass wir im Winter sofort auf Gas-Kombi-Kraftwerke zurückgreifen müssen, sobald Strom und Wärme knapp werden. Wir nutzen in der Schweiz Erdgas, respektive Erdöl, zur Stromproduktion aber eben höchstens an den Wintertagen, an denen uns die Strommangellage akut bedroht. Ich glaube, wir sollten Erdgas nicht nur im Notfall zur Stromproduktion einsetzen, sondern permanent, zumindest während den Wintermonaten. Dass wir unser neues Notkraftwerk in Birr nur für einige Stunden im Winter einsetzen wollen, ist nicht ökonomisch. Wir sollten zusätzliche Gaskraftwerke bauen und unseren Gasverbrauch damit effizient gestalten.

Wieso sind wir mit mehr Gaskraftwerken effizienter?

Mit dem Strom, den wir im Gas-Kombi-Kraftwerk generieren, können wir Wärmepumpen und Induktionsherde betreiben oder elektrisch Autofahren. Die Abwärme können wir zusätzlich über Fernwärmenetze ebenfalls zum Heizen nutzen. Dieses Vorgehen würde es uns erlauben, das Vierfache an Nutzenergie aus dem gleichen Gas herauszuholen, das wir heute sowieso verbrennen. Die ursprüngliche Energiestrategie, über die wir 2017 abstimmten, sah den Bau neuer Gaskraftwerke als Brückentechnologie vor. Wieso tun wir das also nicht? Wenn wir unser Gas heute einfach individuell verkochen oder verheizen, scheint nämlich niemand ein Problem damit zu haben.

Die Effizienz elektrischer Energie
Die Verstromung fossiler Energieträger erhöht die Energieeffizienz markant.
Macht man aus Diesel beispielsweise zuerst Strom und betreibt damit ein E-Auto, kommt man eineinhalbmal so weit, wie wenn man in im dieselbetriebenen Auto einsetzt. Die Abwärme, die beim Verstromen des Gases entsteht, kann man im Winter zusätzlich zum Heizen via Fernwärmenetze nutzen.

Können Sie das an einem einfachen Beispiel veranschaulichen: Warum ist das «Verstromen» des Gases effizienter?

Wir nehmen einen Kubikmeter Gas. Daraus machen wir nun mit Hilfe eines Gas-Kombi-Kraftwerks Strom. Dabei entstehen etwa 40 Prozent der Energie als Abwärme. Diese Abwärme nutzen wir im Winter, in dem wir sie in ein Fernwärmenetz einspeisen und damit Häuser heizen. Es verbleiben dann 60 Prozent der Energie, die wir nun in Strom umgewandelt haben. Aus einem Teil Strom macht nun eine Wärmepumpe vier bis fünf Teile Nutzwärme. Das tut sie, indem sie Umweltenergie z.B. die Erdwärme oder die im Wasser gespeicherte Wärme hinzuzieht. So können wir die im Gas enthaltene Primärenergie vervierfachen. Ähnlich sieht es bei der Elektromobilität aus. Es ist wichtig, über diese Thematik aufzuklären. Denn dieses Potenzial wird in der Bevölkerung noch nicht erkannt.

Wir Schweizer sind absolute Musterschüler punkto CO2-Ausstoss pro Kilowattstunde Strom, die wir verbrauchen

Woher nehmen wir denn das Gas?

Wir beziehen das Gas heute bereits. Zudem wird die Schweiz von einer Transitgasleitung durchquert. Diese verbindet die Niederlande mit Italien. Sie weist eine enorme Leistungsdichte aus. Im vollen Betrieb fliesst etwa die Leistung von 17 Kernkraftwerken pro Stunde durch diese Leitung. Die Schweiz ist daran angeschlossen und hätte im Notfall auch das Recht, Gas zu beziehen. Natürlich, in Osteuropa ist man noch sehr abhängig von russischem Gas. Im westlichen Europa sind wir etwas unabhängiger und auch der Gaspreis hat sich seit seinem Hoch 2022 wieder gefangen. Heute ist fast wieder zu viel Gas auf dem Markt. Der Gasmarkt funktioniert sehr gut und wir könnten auch für die Stromproduktion Zugang erlangen.

Wie erklären Sie der Schweiz, dass Sie in der Energieversorgung erst einmal auf Gas setzen wollen?

Wenn wir das genau gleiche Erdgas, das wir heute bereits einsetzen, effizienter und umweltfreundlicher nutzen können, dann sollte das doch in aller Interesse sein, oder? Wir Schweizer sind absolute Musterschüler punkto CO2-Ausstoss pro Kilowattstunde Strom, die wir verbrauchen. Dies dank dem hohen Anteil der Wasserkraft an unserem Strommix. Besser sind vielleicht noch die Norweger, die ihren gesamten Strom aus der Wasserkraft beziehen. Dafür fördert man dort Erdöl in rauen Mengen, aber das ist ein anderes Thema. Im Sinne einer sicheren Stromversorgung werden wir dieses Musterschüler-Dasein aber aufgeben müssen. Wir sollten uns grundsätzlich überlegen, ob wir vorübergehend nicht in den sauren Apfel beissen und eine etwas schlechtere CO2-Bilanz in Kauf nehmen wollen. Zumal auch bereits an Technologien geforscht wird, die es uns vielleicht bald erlauben werden, Treibhausgase von Gaskraftwerken zu sequestrieren und zu binden, sodass diese nicht in die Atmosphäre gelangen (Anmerkung der Redaktion: vgl. Climeworks oder Synhelion). Schlussendlich steht die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz auf dem Spiel. 

Warum?

Weil uns andere Länder punkto günstiger und sicherer Energieversorgung abhängen könnten. Schauen Sie nach Deutschland, dort hegen bereits vier von zehn Industrieunternehmen Abwanderungspläne. Wenn wir die Industrie im Land halten wollen, müssen wir konkurrenzfähige Strompreise und eine sichere Stromversorgung mit verlässlicher Bandenergie* gewährleisten können. Mit einem Gasspeicher, den wir im Sommer füllen und im Winter verbrauchen, liesse sich ein gewisser Autarkiegrad erreichen. Das erscheint mir im Moment sinnvoller, als zu versuchen, unseren Bedarf im Winter durch Windräder zu decken, die von 20-jährigen Baubewilligungsverfahren aufgehalten werden. Wir sollten das eine Tun und das andere nicht lassen. 

* Bandenergie ist konstant produzierter Strom, der den Grundbedarf an Elektrizität deckt – unabhängig davon, ob die Sonne scheint oder der Wind weht. In der Schweiz stellen Laufwasserkraftwerke sowie die Kernenergie diese wichtige Grundabdeckung sicher.

Die Balance zwischen Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit ist eine politische und volkswirtschaftliche Gratwanderung

Können Sie das an einem einfachen Beispiel veranschaulichen: Warum ist das «Verstromen» des Gases effizienter?

Wir nehmen einen Kubikmeter Gas. Daraus machen wir nun mit Hilfe eines Gas-Kombi-Kraftwerks Strom. Dabei entstehen etwa 40 Prozent der Energie als Abwärme. Diese Abwärme nutzen wir im Winter, in dem wir sie in ein Fernwärmenetz einspeisen und damit Häuser heizen. Es verbleiben dann 60 Prozent der Energie, die wir nun in Strom umgewandelt haben. Aus einem Teil Strom macht nun eine Wärmepumpe vier bis fünf Teile Nutzwärme. Das tut sie, indem sie Umweltenergie z.B. die Erdwärme oder die im Wasser gespeicherte Wärme hinzuzieht. So können wir die im Gas enthaltene Primärenergie vervierfachen. Ähnlich sieht es bei der Elektromobilität aus. Es ist wichtig, über diese Thematik aufzuklären. Denn dieses Potenzial wird in der Bevölkerung noch nicht erkannt.

Wir Schweizer sind absolute Musterschüler punkto CO2-Ausstoss pro Kilowattstunde Strom, die wir verbrauchen

Woher nehmen wir denn das Gas?

Wir beziehen das Gas heute bereits. Zudem wird die Schweiz von einer Transitgasleitung durchquert. Diese verbindet die Niederlande mit Italien. Sie weist eine enorme Leistungsdichte aus. Im vollen Betrieb fliesst etwa die Leistung von 17 Kernkraftwerken pro Stunde durch diese Leitung. Die Schweiz ist daran angeschlossen und hätte im Notfall auch das Recht, Gas zu beziehen. Natürlich, in Osteuropa ist man noch sehr abhängig von russischem Gas. Im westlichen Europa sind wir etwas unabhängiger und auch der Gaspreis hat sich seit seinem Hoch 2022 wieder gefangen. Heute ist fast wieder zu viel Gas auf dem Markt. Der Gasmarkt funktioniert sehr gut und wir könnten auch für die Stromproduktion Zugang erlangen.

Wie erklären Sie der Schweiz, dass Sie in der Energieversorgung erst einmal auf Gas setzen wollen?

Wenn wir das genau gleiche Erdgas, das wir heute bereits einsetzen, effizienter und umweltfreundlicher nutzen können, dann sollte das doch in aller Interesse sein, oder? Wir Schweizer sind absolute Musterschüler punkto CO2-Ausstoss pro Kilowattstunde Strom, die wir verbrauchen. Dies dank dem hohen Anteil der Wasserkraft an unserem Strommix. Besser sind vielleicht noch die Norweger, die ihren gesamten Strom aus der Wasserkraft beziehen. Dafür fördert man dort Erdöl in rauen Mengen, aber das ist ein anderes Thema. Im Sinne einer sicheren Stromversorgung werden wir dieses Musterschüler-Dasein aber aufgeben müssen. Wir sollten uns grundsätzlich überlegen, ob wir vorübergehend nicht in den sauren Apfel beissen und eine etwas schlechtere CO2-Bilanz in Kauf nehmen wollen. Zumal auch bereits an Technologien geforscht wird, die es uns vielleicht bald erlauben werden, Treibhausgase von Gaskraftwerken zu sequestrieren und zu binden, sodass diese nicht in die Atmosphäre gelangen (Anmerkung der Redaktion: vgl. Climeworks oder Synhelion). Schlussendlich steht die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Schweiz auf dem Spiel. 

Warum?

Weil uns andere Länder punkto günstiger und sicherer Energieversorgung abhängen könnten. Schauen Sie nach Deutschland, dort hegen bereits vier von zehn Industrieunternehmen Abwanderungspläne. Wenn wir die Industrie im Land halten wollen, müssen wir konkurrenzfähige Strompreise und eine sichere Stromversorgung mit verlässlicher Bandenergie* gewährleisten können. Mit einem Gasspeicher, den wir im Sommer füllen und im Winter verbrauchen, liesse sich ein gewisser Autarkiegrad erreichen. Das erscheint mir im Moment sinnvoller, als zu versuchen, unseren Bedarf im Winter durch Windräder zu decken, die von 20-jährigen Baubewilligungsverfahren aufgehalten werden. Wir sollten das eine Tun und das andere nicht lassen. 

* Bandenergie ist konstant produzierter Strom, der den Grundbedarf an Elektrizität deckt – unabhängig davon, ob die Sonne scheint oder der Wind weht. In der Schweiz stellen Laufwasserkraftwerke sowie die Kernenergie diese wichtige Grundabdeckung sicher.

Die Balance zwischen Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit ist eine politische und volkswirtschaftliche Gratwanderung

Können wir diese wichtige Bandenergie mit erneuerbaren Energien nicht sicherstellen?

Grundsätzlich ist in der Energieversorgung vieles möglich. Die Technologien sind vorhanden, mit denen wir zum Beispiel Solarstrom vom Sommer in den Winter speichern und genügend Bandenergie sicherstellen könnten. Die Frage ist nur, zu welchem Preis wir das tun. 

Was wäre der Preis?

Auf erneuerbare Energien können wir uns heute noch nicht vollkommen verlassen. Wir wissen nicht, wann der Wind weht oder wann die Sonne scheint. Wir müssen aber zu jeder Sekunde ganz genau wissen, wieviel Strom verbraucht und wieviel produziert wird. Nur so können wir das Stromnetz stabil halten. Sonnen- und Windenergie benötigen darum Reservekraftwerke oder Energiespeicher, die Schwankungen ausgleichen können. Im Tages- oder Wochenverlauf gewährleisten dies teilweise Batterien oder Pumpspeicherwerke. Wir bräuchten aber vor allem den Überschuss des sommerlichen Sonnenstroms im Winter, wenn wir zu wenig Strom haben. Für eine saisonale Speicherung vom Sommer in den Winter braucht es andere Technologien. Die sind heute allesamt noch enorm teuer. Wir könnten zwar Wasserstoff produzieren oder aus Strom, Wasser und Luft jeden beliebigen Kohlewasserstoff wie Benzin, Methanol, Kerosin, etc. herstellen und damit unseren Sonnenstrom speichern. Aber wenn man dann am Ende drei Franken pro Kilowattstunde bezahlen muss, dann schiessen wir die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz komplett ab. Die Balance zwischen Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit ist eine politische und volkswirtschaftliche Gratwanderung.

Eine Gratwanderung, deren sich wenige wirklich bewusst sind?

Absolut. Dabei handelt es sich um Entscheidungen, die man sorgfältig und mit Voraussicht treffen sollte. Wenn wir uns falsch entscheiden, haben wir über 30 Jahre einen zu hohen Strompreis eingeloggt. Das kann dann zu Umwälzungen in der Schweizer Industrielandschaft führen, wenn die Industrie abwandert in Länder mit günstiger Energie. Darum sollten wir uns jetzt wirklich überlegen, wie wir effizienter mit unserer Energie, vor allem mit Gas, umgehen und was unsere Energieversorgung denn effektiv kosten darf. Gleichzeitig müssen wir im Netzbau vorwärtsmachen, damit wir die Integration im europäischen Stromverbund vorantreiben können. Die Schweiz wird sich nie zu 100 Prozent selbst mit Energie versorgen können. Wir sind von unseren Nachbarn abhängig. Wenn wir ein Stromabkommen mit der EU erreichen, können wir den Strom, den wir mit unseren Wind- und Solarkraftanlagen im Ausland produzieren, endlich sauber importieren. Den Autarkiegrad physikalisch zu verbessern, indem wir Windkraft und Solarenergie auch in der Schweiz zubauen, ist sinnvoll. Wir stossen hier jedoch an Grenzen.
 

Wir sollten die Freiheit haben, alle Technologien nutzen zu können

 

Können wir diese wichtige Bandenergie mit erneuerbaren Energien nicht sicherstellen?

Grundsätzlich ist in der Energieversorgung vieles möglich. Die Technologien sind vorhanden, mit denen wir zum Beispiel Solarstrom vom Sommer in den Winter speichern und genügend Bandenergie sicherstellen könnten. Die Frage ist nur, zu welchem Preis wir das tun. 

Was wäre der Preis?

Auf erneuerbare Energien können wir uns heute noch nicht vollkommen verlassen. Wir wissen nicht, wann der Wind weht oder wann die Sonne scheint. Wir müssen aber zu jeder Sekunde ganz genau wissen, wieviel Strom verbraucht und wieviel produziert wird. Nur so können wir das Stromnetz stabil halten. Sonnen- und Windenergie benötigen darum Reservekraftwerke oder Energiespeicher, die Schwankungen ausgleichen können. Im Tages- oder Wochenverlauf gewährleisten dies teilweise Batterien oder Pumpspeicherwerke. Wir bräuchten aber vor allem den Überschuss des sommerlichen Sonnenstroms im Winter, wenn wir zu wenig Strom haben. Für eine saisonale Speicherung vom Sommer in den Winter braucht es andere Technologien. Die sind heute allesamt noch enorm teuer. Wir könnten zwar Wasserstoff produzieren oder aus Strom, Wasser und Luft jeden beliebigen Kohlewasserstoff wie Benzin, Methanol, Kerosin, etc. herstellen und damit unseren Sonnenstrom speichern. Aber wenn man dann am Ende drei Franken pro Kilowattstunde bezahlen muss, dann schiessen wir die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz komplett ab. Die Balance zwischen Umweltverträglichkeit und Wirtschaftlichkeit ist eine politische und volkswirtschaftliche Gratwanderung.

Eine Gratwanderung, deren sich wenige wirklich bewusst sind?

Absolut. Dabei handelt es sich um Entscheidungen, die man sorgfältig und mit Voraussicht treffen sollte. Wenn wir uns falsch entscheiden, haben wir über 30 Jahre einen zu hohen Strompreis eingeloggt. Das kann dann zu Umwälzungen in der Schweizer Industrielandschaft führen, wenn die Industrie abwandert in Länder mit günstiger Energie. Darum sollten wir uns jetzt wirklich überlegen, wie wir effizienter mit unserer Energie, vor allem mit Gas, umgehen und was unsere Energieversorgung denn effektiv kosten darf. Gleichzeitig müssen wir im Netzbau vorwärtsmachen, damit wir die Integration im europäischen Stromverbund vorantreiben können. Die Schweiz wird sich nie zu 100 Prozent selbst mit Energie versorgen können. Wir sind von unseren Nachbarn abhängig. Wenn wir ein Stromabkommen mit der EU erreichen, können wir den Strom, den wir mit unseren Wind- und Solarkraftanlagen im Ausland produzieren, endlich sauber importieren. Den Autarkiegrad physikalisch zu verbessern, indem wir Windkraft und Solarenergie auch in der Schweiz zubauen, ist sinnvoll. Wir stossen hier jedoch an Grenzen.
 

Wir sollten die Freiheit haben, alle Technologien nutzen zu können

 

Inwiefern?

Gerade im Kanton Zürich ist unser Stromnetz nicht dafür ausgelegt, enorme Mengen an Solarstrom aufzunehmen. Stellen Sie sich dieses Szenario vor: 1. August 2030, die meisten Häuser sind mit einer PV-Anlage ausgestattet, ein sonniger Sommertag, die PV-Anlagen produzieren auf Hochtouren. Aber kein Mensch ist zuhause, niemand braucht Strom. Wir werden die Hälfte aller PV-Anlagen abschalten müssen, weil wir sonst das Stromnetz überlasten. Nun stellt sich die Frage, ob wir den Leuten trotzdem etwas für ihren Strom bezahlen, auch wenn wir nicht wissen, was wir in dem Moment damit anfangen sollen. Das verteuert dann einfach den Stromtarif. Für diese wenigen Sommertage das Netz so massiv auszubauen, damit es an diesen Tagen so viel Strom aufnehmen kann, ist volkswirtschaftlich zu überdenken. Wir müssen herausfinden, wo das Optimum liegt. Mit Smart-Grid-Lösungen, dynamischen Tarifen und Netzoptimierungen können wir gezielt steuern. Aber das wird nicht reichen, um unsere Energieversorgung komplett zu dekarbonisieren. Und das ist ja der Plan. 

Bandenergie wird heute durch die Wasserkraft und Kernenergie sichergestellt. Mit der Energiestrategie will die Schweiz jedoch mittel- bis langfristig weg von der Kernenergie. Es dürfen keine modernen AKW mehr gebaut werden. Ist das sinnvoll?

Dieses Denk- und Technologieverbot ist ebenfalls zu überdenken. Wir sollten die Freiheit haben, alle Technologien nutzen zu können, die uns zur Verfügung stehen und somit gegenüber technologischer Innovation offenbleiben. Aber bis wir ein neues AKW bauen könnten, wäre das ebenfalls sehr teurer Strom, der dann auch noch 30 Jahre zu spät kommt. Aktuell würde daher niemand in ein neues Kernkraftwerk investieren. Wenn man jetzt ein neues AKW baut, kostet der Strom über die ersten 30 Jahre 20 bis 30 Rappen pro Kilowattstunde. Leibstadt und Gösgen sind bereits abgeschrieben, darum haben sie jetzt Gestehungskosten von 5 Rappen. Das ist etwa Marktpreis-Niveau. 

Auch die Windkraft und alpinen Solaranlagen muss man mit Augenmass ausbauen

Glauben Sie, dass neue Technologien wie z.B. kleine modulare Reaktoren, die weniger Abfall produzieren oder sogar den bestehenden Atommüll abbauen zu einem Umdenken führen könnten?

Das wäre eine neue Ausgangslage. Allerdings kenne ich mich in dem Bereich zu wenig aus. Solche neuen Technologien müssen sich schon erst noch erhärten. Aber ein Technologieverbot macht definitiv keinen Sinn. Angesichts der aktuellen Herausforderungen ist das aber auch irrelevant. 

Weshalb?

Unser kurzfristiges Problem der Winterversorgungslücke lösen wir mit neu zu bauenden Kernkraftwerken nicht. Wenn wir das CO2-Thema wirklich ernst nehmen und wir unseren Ausstoss reduzieren wollen, dann müssen wir den Umweg von den fossilen Energieträgern über den Strom gehen und die angesprochenen Effizienzgewinne realisieren. Denn auch die Windkraft und alpinen Solaranlagen muss man mit Augenmass ausbauen, weil sie aktuell ebenfalls teuren Strom liefern. Das kann uns zum Verhängnis werden. Wenn dereinst ganz Europa von der Marktöffnung profitiert und KMU andernorts 5 Rappen pro Kilowattstunde Strom bezahlen, während wir 20 Rappen verlangen müssen, werden wir irgendwann aufwachen und merken, dass die Industrie abgewandert ist. Dann haben wir nur eines erreicht: wir haben den Strom verteuert. 
 

Inwiefern?

Gerade im Kanton Zürich ist unser Stromnetz nicht dafür ausgelegt, enorme Mengen an Solarstrom aufzunehmen. Stellen Sie sich dieses Szenario vor: 1. August 2030, die meisten Häuser sind mit einer PV-Anlage ausgestattet, ein sonniger Sommertag, die PV-Anlagen produzieren auf Hochtouren. Aber kein Mensch ist zuhause, niemand braucht Strom. Wir werden die Hälfte aller PV-Anlagen abschalten müssen, weil wir sonst das Stromnetz überlasten. Nun stellt sich die Frage, ob wir den Leuten trotzdem etwas für ihren Strom bezahlen, auch wenn wir nicht wissen, was wir in dem Moment damit anfangen sollen. Das verteuert dann einfach den Stromtarif. Für diese wenigen Sommertage das Netz so massiv auszubauen, damit es an diesen Tagen so viel Strom aufnehmen kann, ist volkswirtschaftlich zu überdenken. Wir müssen herausfinden, wo das Optimum liegt. Mit Smart-Grid-Lösungen, dynamischen Tarifen und Netzoptimierungen können wir gezielt steuern. Aber das wird nicht reichen, um unsere Energieversorgung komplett zu dekarbonisieren. Und das ist ja der Plan. 

Bandenergie wird heute durch die Wasserkraft und Kernenergie sichergestellt. Mit der Energiestrategie will die Schweiz jedoch mittel- bis langfristig weg von der Kernenergie. Es dürfen keine modernen AKW mehr gebaut werden. Ist das sinnvoll?

Dieses Denk- und Technologieverbot ist ebenfalls zu überdenken. Wir sollten die Freiheit haben, alle Technologien nutzen zu können, die uns zur Verfügung stehen und somit gegenüber technologischer Innovation offenbleiben. Aber bis wir ein neues AKW bauen könnten, wäre das ebenfalls sehr teurer Strom, der dann auch noch 30 Jahre zu spät kommt. Aktuell würde daher niemand in ein neues Kernkraftwerk investieren. Wenn man jetzt ein neues AKW baut, kostet der Strom über die ersten 30 Jahre 20 bis 30 Rappen pro Kilowattstunde. Leibstadt und Gösgen sind bereits abgeschrieben, darum haben sie jetzt Gestehungskosten von 5 Rappen. Das ist etwa Marktpreis-Niveau. 

Auch die Windkraft und alpinen Solaranlagen muss man mit Augenmass ausbauen

Glauben Sie, dass neue Technologien wie z.B. kleine modulare Reaktoren, die weniger Abfall produzieren oder sogar den bestehenden Atommüll abbauen zu einem Umdenken führen könnten?

Das wäre eine neue Ausgangslage. Allerdings kenne ich mich in dem Bereich zu wenig aus. Solche neuen Technologien müssen sich schon erst noch erhärten. Aber ein Technologieverbot macht definitiv keinen Sinn. Angesichts der aktuellen Herausforderungen ist das aber auch irrelevant. 

Weshalb?

Unser kurzfristiges Problem der Winterversorgungslücke lösen wir mit neu zu bauenden Kernkraftwerken nicht. Wenn wir das CO2-Thema wirklich ernst nehmen und wir unseren Ausstoss reduzieren wollen, dann müssen wir den Umweg von den fossilen Energieträgern über den Strom gehen und die angesprochenen Effizienzgewinne realisieren. Denn auch die Windkraft und alpinen Solaranlagen muss man mit Augenmass ausbauen, weil sie aktuell ebenfalls teuren Strom liefern. Das kann uns zum Verhängnis werden. Wenn dereinst ganz Europa von der Marktöffnung profitiert und KMU andernorts 5 Rappen pro Kilowattstunde Strom bezahlen, während wir 20 Rappen verlangen müssen, werden wir irgendwann aufwachen und merken, dass die Industrie abgewandert ist. Dann haben wir nur eines erreicht: wir haben den Strom verteuert.