Nicht alle Fledermäuse sind gleich
Im Labor an der WSL, der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, roch es leicht modrig nach Waldboden und Ethanol. Die Forschenden verbrachten Stunden über dem Mikroskop, konzentriert und mit Musik im Ohr, und machten sich an die Auswertung des ersten Versuchssommers 2021. Es zeichnen sich erste Tendenzen ab. So bestätigte sich, dass Licht eine enorme Anlockwirkung hat auf nachtaktive Fluginsekten, in diesen dunklen Waldgebieten offenbar noch stärker als in den siedlungsnahen Gebieten. Bei den Fledermäusen verschwanden nach Einschalten der Leuchten vor allem die bekannterweise lichtempfindlichen und stark gefährdeten Waldarten sehr schnell. Die weniger gefährdeten und anpassungsfähigeren Arten wie zum Beispiel Zwergfledermäuse wurden dagegen deutlich von dem Insektengewimmel an den Leuchten angezogen. Sie freuen sich offenbar über das reiche Angebot an Insekten, das ihnen regelrecht auf dem Serviertablett offeriert wird.
Punktgenaue Beleuchtung am besten
Das ist in einer lauen Sommernacht leicht wahrzunehmen. Es schwirrt und flirrt rund um die Lichtquellen. Doch die Leuchten im aktuellen Feldversuch sind nicht alle gleich. EKZ hat für diesen Versuch verschiedene Leuchtentypen präpariert und aufwändig in diesen unerschlossenen Waldstücken an den Strom gebracht. Jetzt leuchten gewisse Lampen punktgenau auf den Waldboden, andere streuen das Licht rund um den Kandelaber in alle Richtungen. Einige strahlen dabei in orange, andere in kaltem Weiss. Und genau dies untersucht das Forschungsteam im Detail: Denn beim aktuellen Forschungsprojekt geht es auch darum herauszufinden, wie die Beleuchtung beschaffen sein soll, damit sie eine möglichst geringe Auswirkung hat auf die nachtaktiven Tiere. Es zeigte sich: Die Leuchtenform hat einen signifikanten Einfluss. Je weniger das Licht in die Umgebung gestreut wird, desto besser ist es für die fliegenden Insekten. «Die Lichtfarbe dagegen war zu unserem Erstaunen vorerst vernachlässigbar», fasst Forscherin Kappeler die ersten Erkenntnisse der Flugfallen zusammen.
Bodenfallen für Käfer, Asseln, Tausendfüssler & Co.
Neuartig in der Versuchsanordnung waren die erstmals eingesetzten Bodenfallen. Die Forschenden wollten wissen, wie sich künstliches Licht auf bodenbewohnende Insekten und andere wirbellose Tiere, beispielsweise Käfer, Asseln oder Tausendfüssler, auswirkt. Auch hier verbrachten die Forschenden Stunden über dem Mikroskop und betrachteten Tierchen um Tierchen. Erste Resultate weisen darauf hin, dass einige dieser Bodentiere ebenfalls stark vom Licht angelockt werden.
Raupen aus Knetmasse
In diesem zweiten Versuchsjahr sollen die Erkenntnisse aus dem ersten Versuchssommer verifiziert und vertieft werden. Ausserdem kommen neue Fragestellungen dazu, denen insbesondere Doktorand Nicola van Koppenhagen nachgeht: In einem Laborexperiment untersucht er beispielsweise an einer Nachtfalterart, wie künstliches Licht über mehrere Generationen hinweg die Entwicklung und das Verhalten dieser Tiere beeinflussen kann. Und im Feld interessiert ihn die Interaktion zwischen pflanzenfressenden Insekten und deren natürlichen Feinden. Für diese Fragestellung kommen aus Knetmasse angefertigte Raupen zum Einsatz, die auf eigens für diesen Zweck getopften jungen Buchen platziert werden. «Ich untersuche anschliessend, ob die Knetraupen Bissspuren aufweisen und stelle dies dem Blattfrass gegenüber. Daraus versuche ich abzuleiten, ob und in welcher Form künstliches Licht einen Einfluss hat auf die Interaktion zwischen Herbivoren und deren Prädatoren», erklärt van Koppenhagen. Für die Auswertung werden sich die Jungforschenden Julia Kappeler und Nicola van Koppenhagen ab Herbst dann wieder in ihr Labor zurückziehen. Und sich im Dienst der Ökologie über das Mikroskop beugen, Musik in den Ohren, und sich mit viel Ausdauer den Auswertungen widmen.