Eine elektrifizierte Energieversorgung ist wesentlich effizienter, als jene auf der Basis fossiler Energieträger. Können Sie kurz die wichtigsten Gründe dafür erläutern?
Grundsätzlich gilt, dass eine Umwandlung von Energieformen mit unerwünschten Verlusten verbunden ist. Deshalb sollten – wenn immer möglich – Umwandlungen und auch komplizierte Transportwege vermieden werden.
Es gibt zwei sehr anschauliche Beispiele, in denen die wesentlich bessere Energieeffizienz bei direkter Elektrifizierung von der Quelle bis zur Nutzung deutlich wird.
- Das erste Beispiel kommt aus dem Transportwesen. Ein klassischer Verbrennungsmotor in einem Auto bringt ungefähr ein Viertel der ursprünglich im Kraftstoff an der Quelle (vor Verarbeitung und Transport) enthaltenen Energie wirklich in Form von Bewegungsenergie «auf die Strasse». Ein Elektroauto, welches von elektrischer Energie aus Wind oder Solarstrom gespeist wird, hat eine etwa dreimal bessere Effizienz über die gesamte Kette von der Solarzelle/Windturbine bis zur Fortbewegung des Autos.
- Noch gravierender ist der Unterschied bei einer Heizung in einer Wohnung oder einem Haus, wenn dort eine fossile Heizung (z.B. Gasheizung) mit einer elektrisch betriebenen Wärmepumpe verglichen wird. Die Ursache für die exzellente Effizienz der Wärmepumpe beruht darauf, dass diese den Hauptteil der Energie aus der Umgebungsluft bezieht und durch Verdichtung zu höheren Temperaturen nutzbar macht. Dadurch sind Effizienzen möglich, die ein mehrfaches der eingesetzten elektrischen Energie betragen (mehr als Faktor 3).
Die Technologien, die wir für die Elektrifizierung unserer Energieversorgung benötigen, sind vorhanden
Die Schweizer Energieversorgung soll bis 2050 elektrifiziert werden. Gleichzeitig muss die Stromversorgung jederzeit gesichert bleiben, was das Stromnetz zukünftig herausfordern wird. Werden die Technologien, die es dazu braucht, rechtzeitig verfügbar sein?
Die Technologien, um den zukunftsfähigen Ausbau massiver Elektrifizierung voranzutreiben sind vorhanden. Wir müssen auf keine Technologieentwicklung warten, die Investitionen und damit der Ausbau der Infrastruktur können heute starten. Zusätzlich müssen wir aber weiterhin umfassend und breit angelegt weiter forschen und entwickeln, um die Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte zu bewältigen. Die Energiewende ist keine Kurzstrecke. Die Forschungen und Entwicklungen müssen technologieübergreifend in allen Bereichen stattfinden (z.B. Materialien, Recycling, Elektronik, Energiespeicher, Digitalisierung, und vieles mehr). Die Herausforderung ist riesig, und nur wenn wir alle technologischen Möglichkeiten weiter vorantreiben und ergänzend einsetzen, werden wir das Ziel eines wirklich nachhaltigen Energiesystems erreichen.
Wo erwarten Sie im Bereich des Power Grids den grössten Bedarf für innovative Technologien und wieso?
Wir erwarten in allen drei Technologiebereichen die wir für unsere Entwicklungen identifiziert haben - nachhaltige Produkte, Leistungselektronik und Digitalisierung - grossen Bedarf und grosse Fortschritte. Darüber hinaus brauchen wir viel mehr und auch neue Energiespeichertechnologien. Das zukünftige Energiesystem braucht Flexibilität, und die kann nur erreicht werden, wenn die Erzeugung, der Verbrauch, die Speicherung und eine flexible elektrische Übertragungs- und Verteilungssystemtechnologie gemeinsam skaliert und aufeinander abgestimmt werden.
Eine erneuerbare Energiezukunft hängt auch massgeblich davon ab, ob es uns gelingt, Solarenergie vom Sommer in den Winter zu speichern. Darf man in diesem Bereich mittel- bis langfristig Lösungen von Hitachi Energy erwarten? Welche?
Solarenergie ist nicht auf den Sommer beschränkt, auch im Winter kann mit Solarzellen viel Strom erzeugt werden. Aber die Frage zielt auf einen ganz wichtigen Punkt: Für das zukünftige Energieversorgungssystem ist es viel wichtiger als bisher, dass sich Erzeugung und Verbrauch, Speicherung und regionaler elektrischer Energieaustausch ergänzen, wir sprechen hier von Komplementarität. Hitachi Energy stellt schon heute Lösungen bereit, mit denen man elektrische Energie über beliebige Distanzen und zwischen elektrisch vernetzten Systemen flexibel und mit geringen Verlusten transportieren kann. Darüber hinaus integrieren wir jegliche Form von Energiespeichertechnologie in die Netze und sind führend darin, zukunftsorientierte Digitaltechnik in den Netzleitstellen des Stromversorgungsnetzes weltweit zu installieren.
Es ist absolut essenziell, dass die Schweiz technisch und ökonomisch in das europäische Verbundsystem eingebunden bleibt
Welches sind für Sie aktuell die vielversprechendsten Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien in der Schweiz?
Die aktuelle Diskussion und auch immer mehr umgesetzte Projekte in der Schweiz zeigen einen guten Ansatz bezüglich Komplementarität zwischen den einzelnen Flexibilitätsparametern. So ist es beispielsweise sehr gut und hilfreich, dass die Pumpspeicherkapazitäten in der Schweiz gezielt ausgebaut werden. Beim beschleunigten Ausbau von Solar- und Windenergie muss sicherlich im Tempo und Ausmass noch deutlich zugelegt werden. Bei allen nationalen Bemühungen ist es jedoch absolut essenziell, dass die Schweiz technisch und ökonomisch so stark wie möglich in das europäische Verbundsystem eingebunden bleibt, und den aktiven, komplementären elektrischen Energieaustausch mit allen Nachbarstaaten und ganz Europa systematisch verstärkt.
Die Energiewende bedeutet für mich…
..., möglichst schnell ein dauerhaft nachhaltiges Energieversorgungssystem aufzubauen. Der einzig realistische Weg in eine solche Zunkuft führt über eine massiv ausgebaute Elektrifizierung, die aus nicht-fossilen Energieträgern gespeist wird.