Gibt es dieses Konzept nicht mit der Energiestrategie 2050 des Bundesrats?
Die Energiestrategie zielt mir zu sehr auf den Stromverbrauch. Man müsste unsere Energiewelt gesamthaft betrachten und unseren Konsum ganz allgemein hinterfragen – frei von Partikularinteressen.
Im vergangenen Winter ist die Schweiz knapp um eine ernsthafte Strommangellage herumgekommen. Gibt es dafür, neben den geostrategischen Verwerfungen, ihrer Meinung nach noch weitere Gründe?
Gambling. Spekulanten wie man sie auch aus dem Bereich der Rohstoffe oder im Nahrungsmittelbereich kennt. Sie treiben die Preise künstlich in die Höhe. Sicher ist auch das Design des Strommarktes mit dafür verantwortlich. Kürzlich hat mir ein persönlicher Kontakt aus der Strombranche bestätigt, dass es durchaus vorkommen könne, dass Produzenten sich untereinander absprechen und ein preisgünstiges Kraftwerk dann nicht hochfahren. Dies, damit man dann doch noch das teurere Gaskraftwerk nutzen kann, um die letzten Kilowattstunden zu liefern. So können die Preise, die für alle Produzenten gelten, künstlich hochgetrieben werden. Diese sogenannte «Merit-Order», auf der die Preisbildung für Strom beruht, ist für mich darum grundsätzlich ein Fehler.
Solarstrom ist heute eine der günstigsten Energieversorgungsformen
Aber die Merit-Order müsste ja in ihrem Interesse sein. Dadurch bekommen Solarstromproduzenten wesentlich höhere Preise für ihren Strom.
Wenn ich ein Lobbyist wäre für Solaranlagen, wäre das zutreffend. Bei der SSES setze ich mich für eine nachhaltige Energieversorgung ein, die zwischen Konsumenten und Produzenten ausgleicht. Nicht jeder hat ein Dach, um selbst Solarstrom zu produzieren. Dann soll man auch nicht benachteiligt werden. Momentan findet eine Marktverzerrung statt und es herrschen ungleichlange Spiesse; Solarstrom ist bereits heute eine der günstigsten Energieversorgungsformen, wird aber nicht so in der öffentlichen Debatte platziert.
Wie müsste man die Rückliefertarife gestalten, um Solarstromproduzentinnen und -produzenten fair für ihren Strom zu vergüten?
Solaranlagen haben hohe Investitionskosten, dafür praktische keine Betriebskosten und vor allem keine Brennstoffkosten. Ausfälle von Wechselrichtern und kaputte Panels kann man versichern. Das heisst, man kann Solaranlagen durchkalkulieren. Wenn ich weiss, wieviel ich für meinen Strom bekomme, dann weiss ich, wie lange die Amortisationsdauer ist. Weil aber die Rückliefertarife heute von jedem Elektrizitätswerk individuell festgelegt werden und vor allem nicht langfristig stabil bleiben, haben wir keine Investitionssicherheit. Lösbar wäre dies mit dem von der SSES vorgeschlagenen «Fix- und Flex-Modell»: Mit Inbetriebnahme einer Anlage würde sich ein Produzent einmalig entscheiden: will er den Solarstrom über ein fixes Preismodell zu Gestehungskosten in die Grundversorgung einspeisen oder sich dem freien Markt aussetzen? Beim Entscheid für die fixe Vergütung wäre der Strompreis stabil – beispielsweise bei 9 Rappen pro Kilowattstunde. Wenn das so feststeht über die nächsten 20 Jahre, können Solarteure Leute einstellen und der Ausbau beginnt. Bei der flexiblen Vergütung würde der Produzent entsprechend der aktuellen Preise vergütet werden. In diesem Fall darf man dann aber auch nicht die Hand aufmachen, wenn die Preise tief sind.
Warum können wir nicht sagen: Menschen sind Menschen. Sie sollen alle faire Arbeitsbedingungen haben, egal wo sie wohnen
Mitunter soll die Auslandabhängigkeit in der Stromversorgung ja durch den Ausbau der Solarenergie reduziert werden. Solarpanelen werden aber grösstenteils in China hergestellt. Was sagen Sie dazu?
Das ist selbstverschuldetes Leid. Die Schweiz und ihre Nachbarländer hatten sehr viele Solarproduktionsfirmen. Die sind alle weg. Die Politik hat es nicht geschafft, unsere Industrie zu stabilisieren. Ein ehemaliger Hersteller von Solarglas in Europa hat mir berichtet, dass chinesische Produzenten die Hersteller hierzulande lange aufkauften und dann geschlossen haben. Oder Produkte einfach zu Preisen herstellen, mit denen wir hier nicht mithalten können. Hier sehe ich Verbesserungspotential.
Was könnte man hier verbessern?
Warum können wir nicht sagen: Menschen sind Menschen. Sie sollen alle faire Arbeitsbedingungen haben, egal wo sie wohnen. Das könnte man an der Grenze z.B. via Importgesetze durchsetzen und sicherstellen, dass nur Produkte ins Land kommen, bei deren Produktion unsere Standards für ein würdiges Leben und eine saubere Umwelt respektiert wurden. Solange dies nicht der Fall ist, wird irgendein Land auf der Erde immer wesentlich preiswerter produzieren können als wir es tun, denn dort sind die externen Kosten nicht miteinberechnet. Die Politik dagegen versucht mit massiven Subventionen gegenzusteuern und Fabriken aufzubauen. Aber auch da erkennt man das kurzfristige Denken. Hätte man vor zwanzig Jahren langfristig gedacht, dann hätten wir das Problem jetzt nicht.